Sisi ist eine Projektionsfläche
Hey meine lieben Zuckerpuppen, wie ihr wisst, bin ich obsessed mit Sisi aka Kaiserin Elisabeth von Österreich und schreibe aktuell meine Bachelorarbeit über sie. Deshalb erzähle ich euch heute ein bisschen darüber. Vorab: Ich studiere Medien und Kulturwissenschaften an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf.
Meine These ist, ganz umgangssprachlich formuliert (wie alles hier in diesem Blog), folgende: Sisi dient im Film als Projektionsfläche und wird mit Themen aufgeladen, die zur jeweiligen gesellschaftspolitischen Lage passen. In dem Film Sisi & Ich wird der Sisi Mythos weiter dekonstruiert und sie wird als (essgestörte) Diva inszeniert.
Ich erkläre euch das mal, weil ich das echt spannend finde:
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Sisi in der Verfilmung von Rolf Raffé als Gegenfigur zum Wiener Hof dargestellt. Sie sagt "Nein" zum Hof und damit auch Nein zur Monarchie und zum Habsburgerreich. Ich bin kein Geschichtsfreak, aber ich glaube, die Habsburger hatten ziemlich viel mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs zu tun. Dass Sisi als Gegenfigur zur Monarchie gezeigt wird, spiegelt das damalige Gefühl der Menschen wider: genau wie Sisi im Film, Nein zur Monarchie.
1931 wurde Sisi auf einmal zur menschlichen, fast schon bürgerlichen Märchenprinzessin, die sich nach einem normalen Leben sehnt. Interessant ist, dass das Habsburgerreich hier nicht negativ, sondern als streng und spießig dargestellt wird. Dadurch wird Sisi als bürgerliche und nicht regelkonforme Kaiserin hervorgehoben. In gewisser Hinsicht wird eine schönere Zeit propagiert. Logisch, weil es in Deutschland damals immer rechter wurde.
Die 1933er Sisi Verfilmung ist auch ein Gag, weil es eine US-amerikanische Produktion ist. Die Verfilmung ist wie alles, was die Amerikaner machen: purer Brainrot, aber tbh trotzdem worth a watch.
1939 wurde es dann richtig intensiv. Viele Attribute von Sisi wurden plötzlich auf ihren Vater projiziert, während sie selbst eher zur Randfigur wurde, obwohl der Film nach ihr benannt ist. Sie wird zum typischen Mädchen von nebenan, das keineswegs eitel ist, nichts von Schmuck oder extravaganten Klamotten hält (weil das in Deutschland als "barbarisch" galt) und stattdessen Lederhosen bevorzugt. Außerdem wurde Sisis Rolle von einer sehr jungen Schauspielerin besetzt. Hitler hatte hier definitiv Einfluss, um zu zeigen: Hey Hitlerjugend, schaut mal, auch die Sisi hatte ein tolles Verhältnis zu Autoritäten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam dann die berühmteste Sisi Filmreihe überhaupt: die Sissi-Trilogie von Ernst Marischka. Die hat bis heute geprägt, wie Sisi im kollektiven Gedächtnis verankert ist, nicht zuletzt wegen der jährlichen Wiederholungen im Fernsehen an Weihnachten. Diese Filme sind total kitschig und romantisiert: Sisi wird zur Sehnsuchtsfigur und naiven Märchenprinzessin, schön von innen und außen. Die Filme strahlen Harmonie, Einheit und Frieden aus. Genau was die Menschen zu dieser Zeit benötigt haben.
Hier analysiere ich natürlich auch die Verknüpfung zwischen Romy Schneider und der Rolle "Sissi". Dafür empfehle ich euch auf jeden Fall die Verfilmung Ludwig II., in der Romy Schneider erneut die Rolle der Sissi spielt. Damit wagt sie den ersten Schritt, den Mythos, den sie selbst (gegen ihren Willen) geformt hat, umzuschreiben.
Also, ihr checkt es, oder? Sisi wird immer wieder mit den aktuellen gesellschaftspolitischen Themen aufgeladen. Auch im 21. Jahrhundert sieht man das. Heute wird Sisi im Film stark mit dem Thema Körperbild verknüpft. Das passt: Nicht nur die Liv Schmidt Skinny Tok Propaganda spielt da rein, sondern auch die Darstellung von Sisi als Frau wie jede andere. Sie ist zwar adelig, hat aber die gleichen Probleme wie nicht adelige Frauen. Themen wie Körperbild, Sexualität und Mutterschaft werden neu verhandelt. Sisi wird langsam aus dem Korsett gelöst, und der Mythos, der sich ständig wandelt, wird dekonstruiert.
Mein Freund, der recht wenig von adeligen historischen Figuren hält, hat folgendes gesagt:
Also, Sisi war als Person so langweilig und leer, dass sie zur Projektionsfläche für alle gesellschaftlichen Umstände wurde?
Nein, Pascal, ich denke nicht. Ich glaube, es ist das Motiv des Fremdseins am Wiener Hof, das Sisi zur Projektionsfläche gemacht hat. Auf dieses Gefühl kann viel projiziert werden. Deshalb ist Sisi zum Beispiel auch in der Schwulenszene recht beliebt, weil sich viele queere Menschen mit dem Gefühl des Fremdseins identifizieren können.
Freunde, ich könnte euch jetzt noch erzählen, was Diva Sein in Sisi & Ich bedeutet, aber das wird sehr theoretisch. Diva ist irgendwie eine Psychologie für sich, und tbh auch lowkey schwer zu erklären. Ich verlinke euch lieber einfach das Buch, das ich dazu gelesen habe. Das ist die Grundlage für meine Diva Theorie in Bezug auf Sisi in diesem Film.
Kuss,
Felipe 🩵
